Bestallung eines Schuldieners

Im Juli 1886 veröffentlichte „Die Heimath – Pfälzisches Sonntagsblatt“ in der Nr. 16 vom 24. ejd. unter der Überschrift „Etwas von der churpfälzischen Schule“ eine Abschrift der Bestallungsurkunde des Schuldieners Georg Adam Ihrig zu Kaulbach aus dem Jahre 1774 und weiteren Schriftverkehr. Bislang konnte noch nicht festgestellt werden, ob diese Unterlagen, welche sich damals im Besitz eine Kaufmannes Merle befanden, die Zeit überdauert haben.

Über den reformierten Schuldiener Georg Adam Ihrig selbst wissen wir auch etwas mehr, so hat doch eine seiner Töchter, Maria Catharina Ihrig (1771 – 1822) im Jahre 1791 in Kaulbach Johann Nicolaus Scheid den Jüngeren geehelicht. Dieser ist in sechster Generation ein Nachfahre des Stammvaters der Müllerfamilie Scheidt, Nicoln Scheiten (ca. 1605 – ca. 1650).
Georg Adam Ihrig wurde am 09. Juli 1749 in Weisbach (heute Waldbrunn) geboren und in Strümpfelbrunn (ebenfalls heute Waldbrunn) getauft. Am 10. April 1771 heiratete er in Strümpfelbrunn Anna Maria Weiß. Von 1711 bis 1774 hielt er die Stelle des Schuldieners in Heltersberg, ab 1774 dann selbige in Kaulbach. Dort starb er auch im Alter von 51 Jahren am 07. September 1800.
Sein weiter unten Erwähnung findender Sohn gleichen Namens, Georg Adam Ihrig, wurde im Jahre 1773 vermutlich in Heltersberg geboren, heiratete am 02. Januar 1795 in Kaulbach Maria Elisabetha Schneck und verstarb ebendort am 10. September 1843.


Hier folgt nun eine Abschrift des Artikels aus „Die Heimath – Pfälzisches Sonntagsblatt“ Nr. 16 vom 24. Juli 1886

Etwas von der churpfälzischen Schule

Die Stellung der Lehrer und die Auffassung ihrer Thätigkeit zu churpfälzischer Zeit erhellt am beſten aus der Bestallungs-Urkunde, welche ein jeder Lehrer unterzeichnen und mit seinem „Pittschaft“ siegeln mußte. Eine solche gedruckte Urkunde liegt uns durch gütige Uebermittelung des Herrn Kaufmannes Werle von hier vor und lautet wörtlich:

Beſtaungs-Puncten,
und

respectivè
REVERS

Eines Evangelien Reformirten Schul-Dieners
in Chur-Pfal.

Erſtli, ſo er, vermielſt gölier Gnaden, ſi ſeines Beruffs und anbefohlenen Schul-Amts, und daß er deswegen dem amätigen GOTT Reenafft werde geben müen, aezeit treuli erinnern.

II.

Und nadem die Fort des HERRN ein Anfang iſt der Weisheit, ſo ſo er nit aein für ſi ſelbſten aer Goesfort und Tugend ſi befleien, ſondern au die ihme anvertraute und befohlene Jugend in aer Sanfftmuth, Freundlikeit und Holdſeligkeit, dazu ſonderli aber zu dem lieben Gebet, anweiſen, daß ſie vor aen Dingen GOTT lernen lieben, der Ehrbarkeit ſi befleien, und die Laſter haen, au ſie demna die Fundamenta Chriſtlier Religion, wie ſole in dem Reformirten Heydelbergien Cateiſmo, der Kiren-Ordnung einverleibt, verfaßt, na Gelegenheit der ihme anvertrauten Jugend, mit treuem Fleiß lehren, denſelben ihnen wohl einbilden, au keinen andern Cateiſmum oder ſonſt Neben-Fragſtü, oder anders dergleien auerhalb den Verordneten, in ſeiner Schulen einführen.
Er ſo au daran ſeyn, daß ſi die Kinder in der Kiren fein ſti und zütig halten, kein unnües Gewä, oder andere Büberey treiben, ſondern die Predigt gölien Worts andätig und fleißig hören, au in aewege etwas daraus behalten, und in der Schulen aufſagen und erzehlen können.

III.

Er ſo au mit Goes Gnaden treuli dahin ſi bearbeiten, daß er neben ſoler Goſeeligkeit, die ihme anvertraute Jugend, au ſonſten in andern, na dem Beſten unterweiſe, und daelbige aes na der ihme vorgeriebenen Ordnung, na weler er ſi jederzeit zu riten, und derſelben gehorſamli nazuſeen geflien ſeyn ſo. Sonderli aber ſo er die ihme beſtimmte Schul-Stunden, ohne ſonderbare ehehaffte Urſaen, nimmer verſäumen, oder zu denſelben ſi langſam einſteen, wie au nit vor Verflieung ſoler Stunden aufhören.

IV.

In Zütigung der Jugend, ſo er ſi aes Polterens und unziemlier Hefftigkeit enthalten, und dagegen aer väerlien Beeidenheit und Mäßigkeit gebrauen, do dergeſtalt, daß man über ihn, wegen der übermäßigen und ädlien Lindigkeit, biig nits zu klagen habe.

V.

Nadem au die Aergernuß [sic!] eine ſo groe und were Sünde iſt, daß Chriſtus das Wehe über diejenige reyet, wele jemand aus dieſen Kleinen ärgern, ſo ſo er ſeiner anbefohlenen Jugend mit gutem Exempel, goesförtigem Wandel und Leben, in Worten und Weren, au ehrbarer Kleidung, ret fürgehen, hingegen ſi von aen Laſtern, ſonderli aber von dem ändlien Laſter der Trunenheit und Füerey gänli abziehen, und gegen männiglien eingezogen, ehrbarli und unärgerli erzeigen.

VI.

So er des Pfal-Graffen Churfürſtlie Durlaut als ſeiner ordentlien Hohen Landes-Obrigkeit getreu und hold ſeyn, Deroſelben, wie au inſgemein der ganen Churfürſtlien Pfal, ſo viel an ihm iſt, Ehr, Frommen und Nuen helffen erhalten, affen und befördern, Schaden warnen und wehren, wie einem getreuen Unterthanen gegen ſeiner Obrigkeit gebühret und wohl anſtehet; Au im übrigen ſi aen von Chur-Pfal publicirten heylſamen Verordnungen und ſpecialiter ergehenden Decreten gerhorſamli unterwerffen. Er ſo au ſeiner untergebenen Schul-Jugend aen gebührenden Gehorſam und Reſpect gegen die Hohe Landes-Obrigkeit und Vorgeſete mit aem Fleiß einpflanzen: Sie au zu aer Siſam- und Friedfertigkeit, ſowohl dur ſeine Ermahnung, als eigenes Exempel, anleiten und gewöhnen.

VII.

Ferner ſo er dem Kiren-Rath und fürgeſeten Inſpectorn und Pfarrern, ae gebührlie Ehre und Gehorſam leiſten, na derſelben Gutaten aes in der Schulen handeln, und für ſi ſelbſten nits Neues darinnen anſteen, au ohne Vorwien und Erlaubnüß nit verreißen, und nadem ihme erlaubt worden, mit gleimäßigem Vorwien die Verfügung thun, daß in Zeit ſeines Abweſens, die Jugend nits deſto weniger genugſam verſehen werde, ſi au auf die ihm geſete Zeit, zu ſeiner Arbeit wiederum einſteen.

VIII.

Wann er für den Kirenrath erfordert wird, ſo er jederzeit unweigerli ereinen, und was er befragt, mit Grund und Wahrheit beriten, au da etwann an ſeines Dienſtes Verſehung, oder Leben und Wandel, Mangel fürfaen würde, wie au in andern geiſtlien oder ſonſt für den Kiren-Rath gehörigen Saen, deen Beeids gewarten, und demſelben gehorſamli geleben.

IX.

Da aber zwien ihme und andern, in Weltlien- und Civil-Saen ſi Irrung und Streit zutragen würde, ſo ſo er von Ihro Churfürſtlien Durlaut verordneten Amthleuthen, unter denen er mit Dienſt geſeen, in Krafft publicirten Lands-Ordnung Tit. II. Fol. 57. auf Vorbeeiden gehorſamli ereinen, vor denen Ret geben und nehmen.

X.

So ſo er au von ſeinem anbefohlenen Schul-Dienſt für ſi ſelben nit abſtehen, no denſelben verlaen, er habe dann ordentli Erlaubniß genommen, und ſey ſeiner disfas geleiſteten Pfliten gebührli erlaen, und ledig geſteet.
Dieſes aes ſtät, veſt und unverbrüli zu halten, und aes andere zu leiſten, was einem getreuen Schul-Diener und gehorſamen Unterthanen gebühret, und wohl anſtehet, ſo er dem Kiren-Rath mit Hand-gegebener Treu, an eines leiblien geworenen Eydes-Sta geloben, und ſi deen mit eigener Unterrifft verpfliten und verbinden; aes getreuli und ſonder Gefährde.Und demna dann i Geörg Adam Ihrig auf vorgeſete Beſtaungs-Puncten mi zur Schul Caulba ordentli beruffen und beſteen laen, als gelobe und verſpree i, ſolem aem, wie obſtehet, und dieſe meine Beſtaung ausweiſet, getreuli und fleißig nazukommen, und aes dasjenige zu thun, was ein getreuer Schul-Diener gethaner Pfliten wegen uldig iſt, und biig thun ſo, ohne Gefährde; Deen zu Urkund habe i mein Piaft hiervor gedrut und mi eigenhändig unterrieben.

So geehen Heydelberg, den 11ten April 1774.
Geörg Adam Ihrig
Reform. Schuldiener.

Ebenso interessant ist ein Schreiben desselben Lehrers Georg Adam Ihrig von Kaulbach an den „Bürger“ Petersen, Unterpräfect des Bezirks Kaiserslautern, da es Auskunft gibt über die Besoldungsverhältnisse in damaliger Zeit. – Das Schreiben, welches sich auf einem Stempelbogen zu 50 cm. befindet, lautet:

Freyheit

Gleichheit.

Kaulbach, den 29ten Frimär 9 J.

Vom Schullehrer Geörg Adam Ihrig in den Gemeinden Kaulbach, Creimbach und Frankelbach

An

Bürger Petersen, Unterpräfect des Bezirks Kaiserslautern.

Auf ihr Schreiben vom 12. dieses Monaths dienet zur Nachricht, das meine Besoldung darinnen bestanden hat als folgt:

Erstens; Ein Frey WohnHauß [sic!] samt Scheuer und Stall und etliche Ruthen Baum Gärthen dabey.

Zweytens; Zwey Stücker Ackerland zusammen ohngefehr Drey Viertel Morgen und Vier Stücklein Wieß wo zusammen ohngefehr 40 bis 45 Ruthen ausmachen.

Drittens; In den Drey Gemeinden von einem Jeden Reformirten Gemeins Mann Ein Simmern Korn das Glocken Korn Genant wo ausmacht Sechs bis Sieben Malter und dann in Kaulbach und Creimbach von einem jeden Ein Simmern Haber den Uhr Haber genant wo ausmacht Vier Malter 2 bis 3 Simmern.

Viertens, laut meinem Accort von einer Jeden Gemeind so viel Holz als ein Gemeins Mann wo ohngefehr ausmachen Drey bis Vier Clafter.

Fünftens; Von Einem Jeden Kind das in die Schul geht den Winter über Dreysig Kreuzer wo alsdann ausmacht achtzehn bis zwanzig Gulden.

Ferner hatte ich von der Herrschaft zu beziehen alljährlich Sechs Malter Korn und zehen Gulden Geld wo ich als von Zinsen und Zehnten Empfangen habe. Diese Herrschaftliche Besoldung habe ich aber schon in Vier Jahr nicht mehr bekommen. Welches ich andurch der Wahrheit gemäß bescheinige.

Gruß und Achtung

Geörg Adam Ihrig

Zwei Jahre danach starb dieser, und wie er sich über die Nichtbezahlung seines Gehaltes durch die Herrschaft zu beklagen hatte, so scheint auch sein Sohn, trotzdem laut einer uns vorliegenden Schrift 27 Bürger von Frankelbach durch „Eigen Hendige unterschrift den Bürger Georg Adam Ihrig von Kaulbach zu unserem Schullehrer an Nehmen und haben zu wollen,“ erklärten, in Kaulbach selbst und in Kreimbach nicht besonderer Gunst sich erfreut zu haben, da er dem früher genannten Unterpräfekten meldet:

Freyheit

Gleichheit.

Kaulbach, den 25ten Brümair 11.

Von G. A. Ihrig

An

Bürger Petersen
Unterpräfekt des Gemeinden Bezirks Kaiserslautern.

Der unterzeichnete Sohn des ohnlängst Verstorbenen Schulmeisters Geörg Adam Ihrig zu Kaulbach, welcher sowohl zu Lebzeiten seines Vatters als auch nach dessen Todt den Unterricht der Reformirten Kinder der Gemeinden Kaulbach, Creimbach und Frankelbach besorgte, Hat die Ehre Ihnen vorzustellen, daß zwar der Bürger Maire von Kaulbach in Gemäßheit eines von Ihnen erlassenes Schreiben, wodurch gedachte Gemeinden authorisirt wurden zur Wahl eines Schulmeisters, an die Stelle meines Verstorbenen Vatters zu wählen, würklich deßfalls Stimmen gehoben, daß aber diese Stimmensammlung nicht ohne allen NebenEinfluß [sic!] und Parteilichkeit vor sich gegangen, so daß dieselbe ohnmöglich als eine Freie Wahl angesehen werden kann, und daß sogar nicht einmahl alle jene Bürger, die der Natur der Sache nach ein Stimmrecht gehabt hätten, weil ihre Frauen und Kinder Reformirten Religions gewesen sind, zur Wahl zugelassen worden. Ich bin überzeugt, daß wenn die Stimmen von einem unpartheiischen Manne gehoben werden, der Grimm, Haß und keine besonder Zuneigung zu irgend einer Partei hat, dieselben ganz anders ausfallen werden, als die von dem Bürger Maire Collectirte.
Ich bitte Sie daher Bürger-Präfekt um gefällige Ernennung eines Comissars, welcher eine Neue Stimmensammlung vornehmen und Ihnen zur Entscheidung vorlege.
Ich getröste mich einer gefälligen Gewährung meiner Bitte, und bin mit

Gruß und Achtung

G. A. Ihrig


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